Europa ist in Gefahr, das hat die Europawahl Ende Mai gezeigt. Hauptgewinner sind die Nationalisten, Rechtsradikalen und Europafeinde, die sich in der Fraktion ENF (Europa der Nationen und der Freiheit) im Europaparlament zusammenfinden.
Mit dem Austritt Großbritanniens wächst die Bedeutung Frankreichs und Deutschlands in der Europäischen Union. Zusammen haben sie rund ein Drittel der Bevölkerung ohne Großbritannien und erbringen starke 40% der Wirtschaftsleistung. Sind sich die beiden einig, können sie viel bewirken und Europa voranbringen.
Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron bemüht sich seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren um den Partner im Osten, wirbt unermüdlich dafür, dass Deutschland seine Reformideen für Europa unterstützt, als da sind: eine gemeinsame Asylpolitik, eine soziale Grundsicherung für alle Europäer, gemeinsame Klimaschutzziele, eine europäische Verteidigung und die Schaffung einer europäischen Behörde für den Schutz der Demokratie, die Hackerangriffe und Wahlmanipulationen verhindern soll. Er hält Reden, zu Hause und vor dem DeutschenBundestag, veröffentlicht einen Artikel in deutschen Zeitungen –umsonst. Die Berliner Regierenden zeigen ihm die kalte Schulter. Offenbar halten sie sich an den Ausspruch des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“
Aber kann Europa ohne Fantasie, ohne Zukunftsideen gedeihen?
Natürlich haben die beiden Länder unterschiedliche Voraussetzungen, verschiedene Interessen. Wer seine Energie zu 40% aus Atomkraft gewinnt, kann sich leichter ehrgeizige C02-Ziele vornehmenals Deutschland, das seine Atomkraftwerke stilllegt. Wer wie Deutschland auf den Export setzt, möchte Freihandel. Frankreichs Politik greift traditionell stärker in die Wirtschaft ein als das wirtschaftsliberale Deutschland und muss zudem zusehen, wie diedeutsche Wirtschaft übermäßig vom Euro und von Niedriglöhnen profitiert. Solche Interessensunterschiede sind unvermeidlich. Erstaunlich ist, dass nicht offen darüber gesprochen wird, um Wege zu finden, sie auszugleichen. Und verwunderlich ist, dass vor allem die deutsche Seite gemeinsame politische Initiativen ausbremst, während Europa dringend reformiert werde müsste, was ohne den deutsch-französischen Motor nicht möglich ist.
Darum geht es in unserem Salon am 7. Juli; nicht zuletzt aus der Perspektive der Menschen in den beiden Ländern, der Zivilgesellschaft. Wie wichtig ist ihnen das deutsch-französische Verhältnis und was tun sie dafür? Was können sie überhaupt tun, um es zu verbessern.
Juni 2019
Ralf Kröner